Der Weltumgreifende

In Gummersbach gibt es gleich zwei beeindruckende Skulpturen von Michael Schwarze. Der Bücherfreund und der Weltumgreifende. Beide machen es dem Betrachter nicht leicht, Zugang zu dieser Figurenwelt zu finden.Plastik auf einem übergroßen Fuss auf einem Klobus stehend

Der Weltumgreifende aus dem Jahr 1982 steht vor der Postfiliale und zieht, von weitem sichtbar, die Blicke auf sich. Vielleicht hat der Gedanke der weltumspannenden Tätigkeit der Post den Künstler inspiriert. Durch schnelle Verbindungen macht sie die Welt zu einer überall erreichbaren Einheit. Parallelen zu Hermes drängen sich auf. Schnell wie ein Pfeil legte der schwebende, eilende Götterboten jede Strecke zurück. Der Heros steht mit angehobenem Bein auf seinem Steinsockel. Man erwartet fast, dass er wie Ikarus jeden Augenblick abhebt. Es geht aber nicht. Die Erdkugel ist zu schwer und das übergroße Gewicht seines linken Beines zieht ihn herunter und hält ihn auf dieser Erde fest. Diese perspektivische Verzerrung zur Streckung der Figur könnte mehr als ein Stilmittel sein. In vielen seiner Arbeiten hat sich Schwarze mit dem Bild des Hinkenden auseinandergesetzt. Dieser spielt in der volkstümlichen Vorstellung und auch in der Mythologie eine wichtige Rolle. Er kann sowohl für den Gezeichneten als auch für den Auserwählten stehen. Sind nicht sowohl die Post als auch der Hinkende Zwängen unterworfen und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt? „Die surreale Verfremdung, die Verunsicherung der Sehgewohnheiten sind keineswegs Selbstzweck, sondern dienen dazu, Fragen zu stellen und Denkanstöße zu vermitteln. Kein fest umrissenes Menschenbild wird hier sichtbar, sondern der Mensch in einer unsicheren Zeit des Überganges, die den schmerzhaften Prozeß einer inneren Wandlung notwendig macht.“

Zitat aus Gerd-Wolfgang Essen, Hamburg, in: "Michael Schwarze Skulpturen" , Teningen 1992