Spiele,
Simulation und dynamische Systeme
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Wenn viele Handelspartner am Kauf oder Verkauf
eines einheitlichen Gutes (Weizen, Öl, Emissionsrechte) interessiert sind, wird
man in der Realität oft eine Auktion durchführen. Nachfolgend werden wir, wegen
Bezug zu Kapitel EmiHandel.html, immer von
Emissionsrechten reden, die Ausführungen gelten aber allgemein für
Handelsgüter.
Die Aufstellung der "richtigen" Regeln
für Auktionen ist nicht ganz einfach, und dieses Kapitel stellt einige der wichtigsten
Auktionsbegriffe vor.
Ziel: Verständnis
der grundlegenden Mechanismen bei Auktionen und Einführung grundlegender
Begriffe. Analyse, wie Preisfindung in der Auktion zustande kommt.
Methode:
In einer Computersimulation entwickeln wir ein vereinfachtes Auktions- und Preismodell,
welches die Modellierung des Marktgeschehens ermöglicht.
Ein Auktionsmechanismus – die sogenannte Ascending/Descending Auction – kann wie
folgt aussehen:
1. Die Verkäufer geben ihre Verkaufsgebote beim Auktionator
ab, Summe aller zu verkaufenden Emissionsrechte sei X.
2. Der Auktionator nennt einen (Anfangs-) Preis p.
3. Die Käufer geben zu diesem Preis p ihre Kaufgebote ab,
Summe aller zu kaufenden Emissionsrechte sei Y.
4. Ist X=Y, wird die Auktion geschlossen und der Handel zum
Preis p durchgeführt
5. Ist X>Y, erniedrigt der Auktionator den Preis von p auf
p – dp. Weiter bei 3.
6. Ist X<Y, erhöht der Auktionator den Preis von p auf p +
dp. Weiter bei 3.
Die Käufer haben also in Schritt 3. in
Abhängigkeit vom Preis die Möglichkeit, die Auktion zu verlassen / zu betreten
bzw. die Quantität ihrer Kaufgebote zu verändern. Auf diese Weise erhalten wir
einen marktgerechten Preis.
Ein Nachteil für die
Simulation (und auch für die Auktion in der Realität!) ist, dass man bei jeder
Handelsperiode u. U. viele Iterationen durchlaufen muss, bis der Preis
feststeht. Eine vereinfachte Variante, bei der man in einem Schritt den Handel durchführen kann, ist die sogenannte Sealed-Bid-Auction. Bei dieser Auktion
gibt jeder Käufer dem Auktionator sein Gebot („Bid“) in einem verschlossenen
(„sealed“) Umschlag, er nennt hierin nicht nur eine Kaufmenge yi,
sondern auch einen Kaufpreis pi.
(Es ist auch erlaubt, dass ein Käufer mehrere Gebote mit unterschiedlichen
Preisen abgibt.) Jeder Verkäufer nennt dem Auktionator – ebenfalls in
verschlossenem Umschlag – sein Verkaufsangebot xi. Der Auktionator
ordnet die Kaufgebote nach dem Kaufpreis an (s. Bild).
Der Preis, bei dem die Menge X = Sxi
aller Verkaufsangebote erreicht wird, ist der Clearing-Preis. Alle Käufer, die diesen
oder einen höheren Preis geboten haben, bekommen ihre Kaufmenge zum
Clearing-Preis.[1]
Alle anderen Käufer gehen leer aus. Ist die Kaufmenge kleiner als X gehen also
alle Rechte zum Preis des niedrigsten Kaufgebotes raus. Üblicherweise setzt der
Auktionator einen Mindestpreis, in Absprache mit den Verkäufern. Aber Achtung:
Ein zu hoher Mindestpreis wird die Käufer vom Bieten abhalten, die Verkäufer
setzen nichts um![2]
"Pay-Your-Bid"-Variante: Jeder Käufer mit Gebot größer-gleich Clearing-Preis zahlt
nicht den Clearing-Preis sondern den Preis, den er geboten hat. Die Verkäufer
erhalten pro verkauftem Emissionsrecht den sich aus dem Gesamtkauferlös
ergebenden mittleren Preis,
der über dem Clearing-Preis liegt. Der Vorteil ist
eine "glattere" Preisfunktion: Wenn nur 1 von 1000 Rechten zu einem
sehr niedrigen Clearing-Preis verkauft wurde, macht das nicht gleich den Preis
für alle anderen 999 Rechte kaputt.
Emissionsrechte (oder andere Handelsgüter) verfallen nicht. Hat ein Unternehmen mehr Rechte "produziert" – durch Zuteilung oder durch Zukauf – als es "verbraucht" hat – durch tatsächliche Emission oder durch Verkauf – dann kann es diese "auf die Bank legen" und in der nächsten Periode einsetzen. Diesen Vorgang bezeichnet man in der Literatur als Banking. Wird in einer Auktion weniger umgesetzt als die Verkäufer angeboten haben, dann können diese ihre überschüssigen Rechte ebenfalls dem Banking zuführen.
Wir werden sehen, dass Banking wichtig ist, um einen ökonomisch besser funktionierenden Markt zu etablieren (s. Übung 2). In Realität wird sich natürlich kein Unternehmen allzuviele Rechte auf die Bank legen. Es könnte ja sein, dass in einem Jahr eine andere Regierung an die Macht kommt, den Emissionshandel aufhebt und alle Rechte wertlos werden!
Zur Durchführung der Simulation einer Sealed-Bid-Auktion am Beispiel des Emissionshandels wird auf EmiHandel.html verwiesen.
Eine einfache Sealed-Bid-Auktion (zunächst ohne Banking) wird in Übung 3 erstellt.
Ein Multi-Personen-Auktionsspiel steht in SealedBid.xls und spieler1.xls, ..., spieler8.xls zur Verfügung. Es kann im Netzwerk gespielt werden. Welche gruppendynamischen Effekte stellen sich ein, wenn die Simulation unter ähnlichen Bedingungen über mehrere Runden gespielt wird?
Nachdem wir in der Simulation erste Erfahrungen zu
den Mechanismen der Auktion gewonnen haben, wollen wir versuchen zu verstehen, welches
die zugrundeliegenden Mechanismen sind, nach denen jeder einzelne Teilnehmer
individuell-rational handelt und ob und wann dieses Handeln auch zum Erreichen
des globalen Optimums (für die Volkswirtschaft) führt. Wichtig ist das vor dem
Hintergrund, dass man die Regeln des Handels richtig definieren muss, um das
gesteckte ökologische Minderungsziel auch tatsächlich (zu annehmbaren Kosten)
zu erreichen.
Wie also stellt sich durch den Emissionshandel (a)
ein marktgerechter Preis ein und wie werden (b) die richtigen Maßnahmen zur
Emissionsminderung bei den richtigen (d.h. volkswirtschaftlich kostengünstigst
reduzierenden) Unternehmen ergriffen?
Machen wir folgende vereinfachende Annahmen:
o
Die Rahmenbedingungen
(Kostenstrukturen, Emissionsziele) bleiben konstant und es wird über viele
Perioden gehandelt, in denen sich die Unternehmen auf die Situation einstellen
können
o
Jedes Unternehmen
handelt individuell-rational (maximiert seinen Gewinn).
o
Es gibt keine
Preisabsprachen, keine Preiskämpfe oder Kämpfe um Marktmacht.
Betrachten wir zunächst die Käufer: Wenn ich als Unternehmen z. B. 1.000 t CO2 mehr
emittiere als ich nach Emissionsziel darf, werde ich Rechte kaufen wollen,
zumindest solange, wie deren Preis unter meinen Minderungskosten Ki(1000,T0)
liegt. Als individuell-rational handelnder Unternehmer werde ich also ein
Kaufgebot über 1.000 t zum Preis Ki(1000,T0)/1000 je
Tonne platzieren. (Denn wenn ich weniger biete und deshalb aus der Auktion herausfliege,
muss ich teurer selber mindern.)
Ist das alles? – Nein! Denn was ist, wenn die
Verkäufer mehr Emissionsrechte anbieten als die Käufer unmittelbar brauchen?
Ich kann ein weiteres Gebot mit deutlich niedrigerem Preis platzieren. Falls
dieses Gebot gewinnt, habe ich (a) den Preis gedrückt (Clearing-Preis-Variante)
und (b) Emissionsrechte erworben, die ich für die nächste Periode aufspare
(Banking) und die dort meine Kosten mindern werden.
Man könnte argumentieren, dass die Käufer auch alle gezielt tiefere Preise bieten und
dann die Rechte billiger bekommen könnten. Dies erfordert aber bindende
Absprachen zwischen allen Käufern (denn schert nur einer aus, so kann er sich
mehr/alle Rechte sichern, zum Nachteil der anderen Käufer). Wir wollen hier von
solchen Absprachen absehen, weil sie "zerbrechlich" sind.
Nun zur Situation der Verkäufer: Diese müssen überlegen, wieviele Rechte sie in den Markt
stellen. Sie wissen um die Möglichkeit der Käufer, Banking-Gebote abzugeben und
werden deshalb bemüht sein, soviel Rechte in den Markt zu stellen, wie die
Käufer direkt (in diesem Jahr) benötigen – zumindest solange der Preis der
Käufer über den Erzeugungskosten der Verkäufer liegt. Weicht ein Verkäufer
davon ab und "produziert" mehr Rechte, so wird er – bei Erfolg eines
Banking-Gebotes eines Käufers – allen Verkäufern, inklusive sich selbst, durch
einen zu niedrigen Auktionspreis schaden.
Um sich gegen zu niedrige Banking-Gebote der
Käufer zu schützen, kann ich als Verkäufer auch auf folgende Idee verfallen:
Neben meinem Verkaufsangebot stelle ich ein Kauf-Gebot mit Preis (deutlich) unterhalb
meiner Minderungskosten in die Auktion. Wenn die Angebotsmenge zu hoch war,
dann sorge ich dafür, dass ein extrem niedriges Banking-Gebot eines Käufers
nicht gewinnen kann. Stattdessen kaufe ich selbst zurück, halte den
Clearing-Preis in annehmbarer Höhe und spare die Rechte für die nächste Periode
auf (Banking).
Die verschiedenen Banking-Gebote dienen aber nur
dem Zweck, kurzfristige Preisaufschaukler oder "Preisblasen" zu
dämpfen, indem jedes Unternehmen einen Vorrat hat, aus dem es bei zu ungünstigen
Preissituationen zuschiessen kann. Langfristig kann beständiges Banking keine Lösung für den Gleichgewichtszustand
sein, denn dies würde immer mehr "totes" Kapital binden.
Wäre Banking verboten und würden nicht verbrauchte
Verkaufsangebote verfallen, ohne dass die Minderungsmengen noch reduzierbar
wären (in der Simulation war Reduzierung möglich), dann wäre jeder Verkäufer
sehr stark bemüht, bloß nicht zuviel Emissionsrechte anzubieten. Mit der Folge,
dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Unterversorgung am
Markt stattfände.
Verhalten sich alle Spieler individuell-rational
und bleiben die Rahmenbedingungen konstant, so sollte sich nach einigen
Perioden ein für Käufer und Verkäufer faires Gleichgewicht einstellen:
·
Die Käufer erhalten
soviel Rechte wie sie sonst teurer mindern müssten;
·
sie zahlen dafür einen
Preis knapp unter ihren Minderungskosten.
·
Die Verkäufer
produzieren soviel Emissionsrechte wie die Käufer brauchen.
·
Banking findet nicht
oder kaum statt.
1 Bei
welchem Preis wird Unternehmen i mit gegebener Kostenstruktur aus einer
Ascending Auction aussteigen, wenn es sich individuell-rational verhält?
2 Diskutieren
Sie, ob es ökologisch bzw. ökonomisch vorteilhaft ist, wenn man Banking
zulässt. Überlegen Sie anhand von Spezialfällen, welche Preise sich in einer
Ascending Auction einstellen können, wenn Banking erlaubt ist bzw. wenn Banking
verboten ist. Klar ist, dass Banking Vorteile bringen kann, wenn sich die
Rahmenbedingungen (Emissionsziele) ändern (in welche Richtung?) Argumentieren
Sie darüber hinaus, wieso auch bei stationären Rahmenbedingungen Banking
ökonomisch wichtig ist.
3 Erstellen
Sie in Excel-Mappe AuktionSB.xls die
Simulation einer Sealed-Bid-Auktion. Hinweise zur Umsetzung:
Beispiel:
Spieler |
A |
B |
C |
Gebot |
600 |
-800 |
200 |
Preis |
50 |
40 |
30 |
Spieler A kauft zu 50 €. Spieler B verkauft 800
Rechte, aber nur zu einem Mindestpreis von 40 €. D.h. bei einem Preis von 40 €
reiht er sich effektiv in die Reihe der Käufer ein und "kauft" bis zu
800 Rechte zurück. Im Beispiel wandern also 600 Rechte von B an A, B kauft 200
Rechte von sich selbst zurück und C geht leer aus.
4 Wann
führt eine Clearing-Preis-Auktion zu einem ungerechten Resultat? Wer zahlt
drauf? Wieso kann man das durch die Pay-Your-Bid-Variante verhindern?
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© Wolfgang Konen, 01.07.2004, 06.11.2005, 11.08.2006
[1] Ist die gebotene Menge genau zum Clearing-Preis zu hoch (s. Bild), werden die betroffenen Käufer anteilig bedient.
[2] Eine Schwierigkeit bei der Sealed-Bid-Auction in der Praxis ist, ob man wirklich das „sealed“ sicherstellen kann. Es kann Absprachen zwischen den Käufern (Kartelle) geben, mit denen diese den Preis bewusst „drücken“ können. Bei der Ascending Auction ist dies nicht so leicht möglich, weil Preis und Gebote zu jedem Zeitpunkt offenliegen.