Spiele, Simulation und dynamische Systeme

Der "Schweinezyklus"

Einführung

Problem: Jeder kennt die Schwierigkeiten: Das Wasser, das aus der Dusche kommt, ist zu heiß. Hektisch wird das Warmwasser zurückgedreht. Bald ist es zu kalt - also wird wieder aufgedreht. So geht das eine Weile hin und her im Wechsel zwischen zu heiß und zu kalt. Einen ähnlichen Effekt beobachtet man auf dem Arbeitsmarkt: Herrscht in einem Marktsegment Arbeitskräftemangel, wird gut bezahlt. Das macht die Ausbildung attraktiv. Später ist dann eher ein Überangebot an Arbeitskräften zu erwarten und der Trend kehrt sich um, erneut hin zum Arbeitskräftemangel.

Ziel: Es gilt, zu erkennen, was hinter dem unwillkommenen Auf und Ab steckt und wie man ihm begegnen kann.

Methode: Zur Beschreibung der genannten Systeme - und vieler anderer - wird gemeinhin die Metapher vom "Schweinezyklus" benutzt. Die wichtigsten Struktureigenschaften (Anreiz, Totzeit und negative Rückkopplung) werden - auf das Wesentliche beschränkt - mit einem Tabellenkalkulationsblatt modelliert. (Wie real der Schweinzyklus ist, zeigen Meldungen vom Agrarmarkt, beispielsweise aus der BauernZeitung, Schweiz).

 

Ein stark vereinfachtes Modell des "Schweinezyklus"

 (Eichberger et al., http://wwwu.uni-klu.ac.at/gossimit/lv/usw00/w/g4/Schweinzyklus.swf )

Eine anschauliche Erklärung (mit Fließbändern und Java-Applets), die auch die quantitativen Zusammenhänge gut erfahrbar macht, wird von Harald Schellinger in http://www.schellinger.de/regelungstechnik/wregel/wirtschaftsregelkreis.html gegeben.

Hier betrachten wir ein möglichst einfaches Modell, das zyklisches Verhalten zeigt, aber gleichzeitig noch gut durchgerechnet werden kann:

Das momentan am Markt herrschende Angebot an Schweinefleisch bezeichnen wir mit x(t). Dieses Angebot führt zu einem Stückpreis y(t). Nach den Gesetzen des Marktes fällt der Preis mit wachsendem Angebot. Ein einfacher Ansatz dieses Gesetzes vom abnehmenden Grenznutzen hat die Form

           

Hierin bezeichnet a den Höchstpreis, der sich bei absoluter Warenknappheit erzielen lässt; und b ist die Sättigungsmenge, also die Menge, die sich nur dann erzielen lässt, wenn man die Ware verschenkt. Damit hat man schon diejenige Komponente des Modells, die für die negative Rückkopplung sorgt.

Den Bestand an Schweinen in der aktuellen Periode bezeichnen wir mit z(t). Dieser Bestand gelangt erst in der folgenden Wirtschaftsperiode auf den Markt. Wir setzen also x(t+1) = z(t), weil es eine Wirtschaftsperiode dauern soll, bis die Ferkel groß geworden sind. Diese Verzögerung um eine Wirtschaftsperiode wird in der Systemtheorie als Totzeit bezeichnet (weil es so lange dauert, bis der geänderte Bestand am Markt sichtbar wird, der Markt stellt sich für die Länge der Totzeit gegenüber der Veränderung „tot“).

Worin liegt der Anreiz, die Produktion zu erhöhen? Wir nehmen einmal an, dass es einen minimalen Preis c gibt, unterhalb dessen es sich nicht lohnt, überhaupt Schweine in den Stall zu stellen. Den Zuwachs an Schweinen setzen wir folgendermaßen an:        

           

Also: der zukünftige Bestand an Schweinen z(t+1) erhöht sich gegenüber dem momentanen Stand z(t) proportional zur Differenz aus dem dann erzielbaren und dem minimalen Preis; der Proportionalitätsfaktor wird mit d bezeichnet (Produktionsanreiz).

 

Übungen, Diskussionspunkte

1 Zeigen Sie Analogien zwischen dem "Schweinezyklus" und volkswirtschaftlichen Prozessen auf. Wo begegnen uns Schweinezyklen noch in Wirtschaft und Gesellschaft?

2 Führen Sie Experimente mit dem Arbeitsblatt Schweinzyklus.xls durch. Stellen Sie fest, welche Einflüsse die Parameter des Modells auf Schwingungsfrequenz, Amplitude und Dämpfung des Schwingungsverhaltens haben. Erläutern Sie die Begriffe prozyklisches und antizyklisches Verhalten.

3 Lösen Sie die Systemgleichungen mit analytischen Methoden. D.h. suchen Sie nach analytischen Antworten auf folgende Fragen

a) Gleichgewichtslage: Welcher Bestand z(t) ist mit sich selbst im Gleichgewicht?

b) Stabilität: Welche Bedingung müssen die Parameter a,b,c,d erfüllen, damit das System zum Gleichgewichtspunkt hinstrebt?

4 Können Sie eine Variante des Blattes in Schweinzyklus.xls erstellen, bei dem die Zykluslänge 2 oder 3 ist (wobei die Zeit t in +1-Schritten fortschreitet)? Allgemein: Wie hängt die Zykluslänge mit den Parametern a, b, c, d und Totzeit zusammen?

5 Erarbeiten Sie sich mit SZyklus1.xls aus [Eichberger+00] ein alternatives Modell zum Schweinezyklus. Versuchen Sie, das Excel-Blatt so zu erweitern, dass Sie mit geeigneten Parametern Form und Zykluslänge der beobachteten Schwingung beeinflussen können. Beschreiben Sie Ihre Beobachtungen oder versuchen Sie sie zu erklären.
            a) Können Sie auch hier aus den Excel-Formeln heraus analytisch erklären, wie man auf die Zykluslänge kommt?

 

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Literatur zum Schweinezyklus

© Timm Grams, 8.12.1999, W. Konen, 2008 – 2009