Spiele,
Simulation und dynamische Systeme
|
Einführung
Probleme: Überweidung,
Raubbau (Waljagd). Luftverschmutzung (CO2, NO2,
SO2, FCKW, saurer Regen, Ozonloch, Ozonbelastung), Verschmutzung
des Bodens und der Meere. Rodung des tropischen Regenwalds, Schadstoffe (z.B.
Schwermetalle) in der Nahrungskette, Grundwasserabsenkung. Was ist diesen
Problemen gemeinsam? Freie Ressourcen, Gemeingüter, Allmende.
"Allmende, die: [mhd. "was allen gemein ist"] die von einer Dorfgemeinde gemeinsam genutzte
Fläche, gewöhnlich Weide, Wald und Ödland...Seit dem 18. Jh. begann die
Auflösung der Allmende. Die Allmenden bildeten früher eine wertvolle Einnahmequelle
der Gemeinden und waren ein Mittel zur Unterstützung ärmerer Dorfbewohner.
"
[Quelle:
dtv Brockhaus]
Ziel: Verstehen
des Mechanismus der Tragödie der Gemeingüter.
Methode: Durchführung eines gruppendynamischen Lernspiels mit Computerunterstützung. Das Arbeitsblatt des Spiels wird für alle sichtbar vom Kursleiter geführt. Diskussion von Strategien zur Überwindung der Tragödie der Gemeingüter.
Ein Grundbegriff der Ökologie
Die Tragödie der Gemeingüter: Garret Hardin erläutert den von ihm stammenden Begriff folgendermaßen
(zitiert nach Global 2000, S. 504):
"Man stelle sich eine Weide vor, die allen
zur Verfügung steht... Als rationales Wesen versucht jeder Herdenbesitzer
seinen Nutzen zu maximieren. Explizit oder implizit, mehr oder weniger bewusst,
fragt er sich: 'Welchen Nutzen habe ich, wenn ich meine Herde um ein
Tier vergrößere?' Dieser Nutzen hat eine positive und eine negative Komponente.
Wenn er die beiden Nutzenkomponenten addiert, muss
der rationale Herdenbesitzer zu dem Schluss kommen, dass die einzig vernünftige
Entscheidung für ihn ist, ein weiteres Tier seiner Herde hinzuzufügen. Und dann
noch eins: Zu diesem Schluss muss jeder einzelne Herdenbesitzer kommen, der das
gemeinsame Weideland nutzt. Darin liegt die Tragödie. Jeder ist
in einem System gefangen, das ihn zwingt, seine Herde grenzenlos zu vergrößern
- in einer Welt, die Grenzen aufweist. Der allgemeine Zusammenbruch ist die
Endstation... "
Das Lernspiel
Das Arbeitsblatt ALLMENDE.xls (Register Allmende) enthält eine Tabelle des Spielablaufs.
Darin trägt der Spielleiter (Kursleiter) die Spielentscheidungen der Teilnehmer
ein. Der Spielverlauf wird nach folgendem Muster gesteuert:
Abb. 1: Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt ALLMENDE.xls
Die Grundgleichungen des Lernspiels
Ausgangspunkt ist die Differentialgleichung
einer bewirtschafteten Population:
dN(t)/dt
= (r(1-N/K)-p)·N(t)
Diskretisierung mit dem Zeitschritt h = 1: N+
= N + r(1-N/K)·N - pN. Mit E =
pN - dabei steht das E für "Ernte" - folgt N+
= N + r(1-N/K)·N - E. Eine Zerlegung
in Teilschritte liefert:
Nh = N
+ r(1-N/K) ·N
N+ = Nh - E
N ist die
Anzahl der Individuen (Einheiten) der Allmende - das Gemeingut. Das
Arbeitsblatt ALLMENDE.xls
enthält im Register "Allmend1" eine grafische Darstellung der
grundlegenden Zusammenhänge.
Übungen, Anregungen für die Diskussion
1.
Erstellen Sie das Arbeitsblatt ALLMENDE.xls. Günstige Parameter sind z.B.
r=1, K=100, p=0.
2.
Leiten Sie her, bei welcher Jagd- oder Ernterate sich ein für alle optimaler
Ertrag ergibt. Bauen Sie Formeln und Grafik ein, die den kumulierten Ertrag
jedes Spielers seinem Optimalertrag gegenüberstellen. (Hinweis: Die
Excel-Funktion ANZAHL2(A4:A20) zählt die Anzahl der nicht-leeren Zellen
im Bereich A4:A20.)
3. Diskutieren
Sie Wege aus der Gefahr. Wie lässt sich die Tragödie der Gemeingüter
verhindern?
1.
Der spartanische
Ansatz des reaktionären Ökologen: Zuteilungsgesellschaft, geschlossenes
System, aggressiv nach außen - Disziplinierung nach innen. Rangfolge der Werte
(nach Gruhl, 1975): militärische Macht, Fähigkeit zur Bevölkerungsplanung,
Bedürfnislosigkeit und Leidensfähigkeit ... (Orwells "1984").
2.
Der idyllische
Ansatz: Rückzug ins ländliche, friedliche Leben ist eine Scheinlösung.
3.
Der technokratische
Ansatz: Planen im großen Stil (Popper, 1957, S. 213). Technischer
Umweltschutz. Aktuelles Beispiel: Katalysator. Recyling. Evolution der
Sachzwänge. Die Lösung wird zum neuen Problem (Watzlawick, Weakland, Fisch,
1974).
4.
Der planwirtschaftliche
Ansatz: Investitionslenkung. "Für die Veränderung des Ganzen ... Aber
nur von den neuen Werten und der gedachten neuen Ordnung her kann die
Wirklichkeit auf sie hin verändert werden" (Steffen, 1974, S. 134 f.).
Idealisten wissen wo es hingeht - Aber die Richtung stimmt nie.
5.
Eine neue Ethik: Sein
statt Haben. Eine Lebenshaltung, die jetzt schon Gewinn bringt.
Selbstbegrenzung und Konvivialität. Die wahren Bedürfnisse erkennen -
Fremdbestimmung, Manipulation und Entfremdung überwinden (Fromm, Eppler,
Illich, Jonas).
6.
Der freiheitliche,
demokratische Ansatz: Schrittweise Verbesserung der bestehenden
demokratischen Institutionen. Transparenz herstellen. Gewaltenteilung.
Kooperation. Kontrolle. "Das soziale Leben ist so kompliziert, dass nur
wenige Menschen oder überhaupt niemand fähig ist, den Wert eines Bauplans für
soziale Maßnahmen im großen Maßstab richtig einzuschätzen" (Popper). Gegen
das Planen im großen Stil. Umorientierung der finanziellen und rechtlichen
Instrumente - auch im Sinne einer Internalisierung der Umweltkosten (Punkt 7) und
eines vereinbarten Zwanges (Punkt 8).
7.
Der marktwirtschaftliche
Ansatz: Internalisierung der Umweltkosten und -risiken, Verursacherprinzip
(Steger, Wicke).
8.
Verschwörungen: Verträge (Dawkins), "Gegenseitiger Zwang, auf den man
sich geeinigt hat" (Garret Hardin).
Literaturhinweise
Beddington, J. R.; May, R. M.: Die Nutzung mariner Ökosysteme. Spektrum d. Wiss. (1983) 1, 104-112
Bossel, H.: Modellbildung und Simulation, vieweg (1994), S. 300-301.
Clark, W. C.: Verantwortliches Gestalten des Lebensraums Erde. Spektrum der Wissenschaft (1989) 11, 48-56
Dawkins, R.: Das egoistische Gen. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1978
Foders, F.: Individuelle Meeresnutzungsrechte und Aquakultur - neue Ansätze zum Schutz der Seefischbestände. Spektrum der Wissenschaft (1995) 2, 90-92
Fromm, E.: Haben oder Sein. dva Stuttgart 1976
Global 2000: Der Bericht an den Präsidenten. Council of Environmental Quality (Hrsg.) Deutsche
Ausgabe: Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M. 1980. "Intensives Fischen
scheint dazu beigetragen zu haben, den absoluten Ertrag der Weltfischereifänge
zu verringern. Verbesserte Fischereitechnologie haben im großen Ausmaß die
Übernutzung der meisten traditionellen Bestände gefördert" (S. 660 f.).
Gruhl, H.: Ein Planet wird geplündert. Fischer, Frankfurt/M. 1975
Illich, I.: Selbstbegrenzung. Rowohlt, Hamburg 1975
Jonas, H.: Das Prinzip Verantwortung. Aus: Schüz, Risiko und Wagnis, Band 2, S. 166-181
Meadows, D. H.; Meadows, D.
L.;
Popper, K. R.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. 2 Bände. A. Francke Verlag, Bern, München 1957
Schüz, M. (Herausgeber): Risiko und Wagnis. Die Herausforderungen der industriellen Welt. Gerling Akademie. Verlag Günther Neske, Pfullingen 1990
Steffen, J.: Strukturelle Revolution. Rowohlt, Hamburg 1974
Steger, U.: Übernahme von Umweltkosten und -risiken durch die Industrie. In Schüz, Band I, S. 194 ff.
Watzlawick, P.; Weakland, J. H.; Fisch, R.: Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Verlag Hans Huber, Bern, 1974
Wicke, L.: Der ökonomische Wert der Ökologie. In Schüz, Band I, S. 210 ff.
|
© Timm Grams, 30.9.1999
© Wolfgang Konen, 18.03.2004