Pädagogik


Die Pädagogik, oder Erziehungswissenschaft, befaßt sich mit der Veränderung des Erlebens und Verhaltens von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel der Erziehung. Erziehung ist die planmäßige, intentionale oder die zufällige, funktionale Einflußnahme auf das Wissen und Wollen eines Menschen, unter Berücksichtigung des sozialen Umfeldes mit seinem Werte- und Normensystem. Neben der reinen Wissensvermittlung und Ausbildung wirkt Erziehung charakter- und willensbildend und ist damit Teil des Sozialisationsprozesses. Die psychologisch orientierte Sozialisation betrachtet die Verhaltensänderungen als Lernen und orientiert sich an den klassischen Lerntheorien der kognitiven Psychologie, die eine Möglichkeit bieten, Lernprozesse durch entsprechende Anwendung der Gesetzmäßigkeiten von Reiz-Reaktion-Abläufen zu steuern. Die Entwicklungspsychologie, in der Folge von Piagets Entwicklungstheorie, in der Reifung, Lernen und Selbstregulation durch Assimilation und Akkommodation als Prozesse in der Entwicklung einer Person festgemacht werden können, beschränkt sich nicht mehr auf das Beschreiben dieser Veränderungsreihen, sondern analysiert die zugrundeliegenden Prozesse und bezieht die Person-Umwelt-Interaktion mit ein. Entwicklung wird damit zur lebenslangen Verhaltensveränderung und ist von Sozialisation, im soziologischen Sinn, nur schwer zu trennen. Dieses ältere Konzept orientiert sich am Regelkreis des biologischen Organismus, wo Verhaltensmaßstäbe verinnerlicht werden und die erfolgreiche Sozialisation durch eigengetriebenes Handeln, das im Selbsterhaltungsinteresse der Gesellschaft liegt, attestiert werden kann. Erziehung hängt damit in starken Maße von der gesellschaftlichen Ordnung ab, aber auch, besonders im intentionalen Bereich, von dem gesellschaftlichen Wissensvorrat, dem sozial relevanten Wissen. Dieser Wissensvorrat ist subjektiv bedingt, weil dessen Elemente nur in der Erfahrung des Einzelnen zu suchen sind, und dann erst, nach einer Objektivierung, in den gesellschaftlichen Vorrat der nächsten Generation eingeht. Der Wissensvorrat des Subjekts wiederum wird, wie gezeigt, durch die Gesellschaft in der Sozialisation bedingt.

Im Gang der Geschichte haben sich neben dem Wissen, das für jedermann belangvoll ist, einige rollenspezifische Formen entwickelt. Aufgrund dieser Differenzierung des Wissensvorrats wird eine Arbeitsteilung notwendig, da bestimmte Wissensbereich nicht mehr von allen überblickt werden können und die Arbeitsteilung führt ihrerseits zu einer weiteren Spezialisierung und deren Institutionalisierung, bei der es zur Unterscheidung von Eingeweihten und Außenstehenden kommt. Als Konsequenz der Differenzierung gliedert sich der gesellschaftliche Wissensvorrat in Allgemein- oder Kulturwissen und Sonderwissen, zu dem wissenschaftliches Wissen gezählt wird. Das Allgemeinwissen wird in der heutigen Pädagogik, in Abgrenzung zur Wissenssoziologie, als grundlegendes Orientierungs- und Einordnungswissen gesehen, zu dem Einzelheiten und Besonderheiten verschiedener Gebiete gehören und an dessen Zustandekommen die Schule, als Bildungsinstitution, wesentlichen Anteil hat. Dieses Grundwissen, das eine Auswahl des Wissensmöglichen ist und über das von Zeit zu Zeit neu zu befinden ist, findet in Lehrplänen bzw. Curricula seinen Niederschlag und ist, je nach Bildungsauftrag der Schulform, zum größten Teil Fachwissen. Es kann aus den jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen, aber auch aus Praxisbereichen stammen, zeichnet sich durch eine vorläufige Abgeschlossenheit und Endgültigkeit aus und wird durch die Schulaufsichtsbehörde festgelegt.

Insbesondere der Didaktik ist es aufgegeben, das zu vermittelnde und anzueignende Wissen festzulegen. In Anbetracht der Fülle des Wissens besteht ein Zwang zur Konzentration auf das Wissensnotwendige. Der wissenschaftsorientierte Unterricht richtet sich nach der Fachsystematik der einzelnen Disziplinen, kommt aber ohne übergreifende Einsichten als Fundament weiterführender und komplizierterer Leistungen nicht aus. Die Curriculumtheorie der 70¹er Jahre, einschließlich ihrer verhaltenspsychologischen Grundannahmen, behandelt Wissensfragen im Rahmen kognitiver Lernziele, die, wie Lernziele aus dem affektiven und psychomotorischen Bereich, in einem hierarchischen Einteilungssystem, einer Lernzieltaxonomie, geordnet, Eingang in die Lehrpläne der einzelnen Fächer gefunden haben. Als Beispiel sei die Lernzieltaxonomie von B.S. Bloom genannt (vgl. [STE] S. 115), die die sechs Hauptklassen Wissen, Verstehen, Anwendung, Analyse, Synthese und Bewertung kennt. Wissen wird in dieser Systematik nochmals in Wissen von konkreten Einzelheiten, Wissen der Wege und Mittel mit konkreten Einzelheiten zu arbeiten, und Wissen von Verallgemeinerungen und Abstraktionen eines Fachgebiets gegliedert. Auf diese kognitiven Dimensionen beziehen sich dann auch die Leistungstest, wie Klassenarbeiten und Klausuren, aber auch die Intelligenztests, innerhalb schulischer Bildung. Ein solcherart abgerundetes, in Fächer eingeteiltes Wissen in der Schule führt zu einer Gewöhnung, die Erwachsene in Weiter- oder Hochschulausbildung eine ähnliche Einteilung in Lehrplänen erwarten lassen. In neueren didaktischen Theorien findet das Alltagswissen stärkere Beachtung, gilt es doch für die Aneignung neuen Wissens als entscheidende Vorraussetzung.


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Uwe Poborski: KategoSphär