Psychologie


Die Psychologie befaßt sich mit dem Erleben und Verhalten des Menschen. In erster Linie geht ihr es um die Beschreibung und Erklärung psychischer Sachverhalte wie Motivation, Lernen oder Denken, in praktischer Hinsicht kann sie Entscheidungshilfe und Handlungsvorschriften für die Erreichung als wünschenswert angesehener Ziele geben. Als Wissenschaftsgebiet spielte die Psychologie schon in der Antike bei den Ärzten, Hippokrates (etwa 400 v. Chr.) und Galenus (103 - 201 n. Chr.) beispielsweise, eine Rolle. Sie ordneten den kosmischen Elementen Luft, Erde, Feuer und Wasser entsprechende Körpersäfte im Menschen zu: Blut stand für das Grundtemperament sanguinisch, schwarze Galle für melancholisch, gelbe für cholerisch und Schleim für phlegmatisch. Damit brachten sie Körper und Seele in einen Zusammenhang, der heute, nach der strengen Trennung zwischen einer geistes- und naturwissenschaftlich orientierten Psychologie Anfang dieses Jahrhunderts, als Basis des Verständnisses der allgemeinen Erlebnisweisen des Menschen gelten kann. Das seelische Geschehen umfaßt in der Allgemeinen Psychologie Gefühle und Triebe, Denken und Lernen, sowie Wahrnehmung. Unter Wahrnehmung, oder auch Perzeption, wird das verstanden, was die Sinnesorgane von der Umwelt vermitteln. Mit der Untersuchung, die Vielfalt der Gegenstände im Wahrnehmungsprozeß nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu ordnen, hat sich die Gestaltpsychologie beschäftigt. Deren Ergebnisse lassen sich auf das Postulat "das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" verkürzen. Der psychologische Begriff des Lernens umfaßt jede Veränderung einer Verhaltensweise aufgrund vorheriger Erfahrungen. Aus den Untersuchungen Pawlows über konditioniertes Lernen bei Tieren bildete die Schule des Behaviorismus verschiedene Lerntheorien, die durch die programmierte Unterweisung nach Skinner auch Eingang in das menschliche Lernen fand. Die Gegenposition zum Behaviorismus, der Selbstbeobachtung und unmittelbares Verstehen fremden Seelenlebens ablehnt und statt dessen das Verhalten durch den Einfluß der Umwelt zu beobachten und zu registrieren in den Vordergrund stellt, vertritt die kognitive Psychologie.

Die Psychologie der Kognition, von "cognoscere, cognitus", “"erkennen, kennenlernen, wissen", versucht das Wesen der menschlichen Intelligenz und des Denkens zu verstehen. Wissen aus dieser Sicht ermöglicht es dem Individuum, die Welt zu interpretieren und gezielt auf seine Umwelt einzuwirken. Es bildet ebenfalls die Voraussetzung für Lern-, Denk- und Problemlöseprozesse. Unterschieden werden das Wissen über Sachverhalte, das deklarative Wissen, und Fertigkeiten, das prozedurale Wissen.

Der Erwerb deklarativen Wissens wird als aktiver, konstruktiver Prozeß aufgefaßt, welcher versucht, meist unter einer bestimmten Zielsetzung, neues mit vorhandenem Wissen, das als notwendige Voraussetzung angesehen wird, zu verknüpfen. Die Struktur der gespeicherten Information wird durch semantische Gedächtnismodelle beschrieben. Dabei unterscheidet man zwischen den Konzepten, die durch Worte und Sätze vermittelt werden, und jenen, die durch Propositionen repräsentiert werden. Letztere sind in der Sprachphilosophie das, was ein Aussagesatz bedeutet, und damit erst eine Entscheidung, ob die Aussage wahr oder falsch ist, ermöglichen. Nach Andersons Theorie der Erregungsausbreitung in semantischen Netzwerken (vgl. [WEI] S. 148), deren Knoten Propositionen darstellen und deren Kanten die Elemente eines Konzepts miteinander verbinden, geht die Erregung von bestimmten Knoten aus, die beispielsweise durch die Wahrnehmung äußerer Reize aktiviert werden und setzt sich entsprechend der Assoziationsstärke der aktivierten Knoten fort. Diese Theorie geht davon aus, daß die Aktivation wieder erlischt, wenn die Reizsituation oder eine Zielsetzung nicht fortbesteht. Gelernt, also neues Wissen erworben, wird nach diesem und neueren kognitionspsychologischen Ansätzen, indem neue mit vorhandenen Propositionen verknüpft werden und eine Elaboration der Wissensstruktur stattfindet. Verschiedene Arten von Elaboration sind das Assoziieren bildhafter Vorstellungen oder persönlicher Erfahrungen und die Aktivierung von Sachwissen, die abstrakte Sachverhalte durch Spezifikationen veranschaulicht. Eine Anreicherung des Wissens kann neben dem Elaborationsprozeß, insbesondere bei großen Informationsmengen, auch ein Organisationsprozeß bieten, der semantische Makrostrukturen bildet, indem er Operatoren anwendet, die van Dijk (1977) wie folgt angegeben hat: Weglassen kann man eine Proposition, wenn sie keine Interpretationsbedingung einer anderen ist, Selektion ermöglicht die Vertretung mehrerer Proposition durch eine Makroproposition, Generalisation überführt Propositionen in eine übergeordnete, abstraktere Bedeutung und Konstruktion erlaubt die Ersetzung einer Folge von Propositionen durch eine neugebildete (vgl. [WEI] S. 156).

Unter Fertigkeiten wird ein Verhalten verstanden, das aus einer komplexen Folge von Handlungen besteht und das in der Regel automatisch, durch das auf Wissen über Sachverhalte beruhende, prozedurale Wissen gesteuert wird. Ein spezifisches Merkmal der Aneignung von Fertigkeiten ist, daß es durch fortlaufende Übung stärker automatisiert wird und damit immer weniger Aufmerksamkeit erfordert, also schneller ausgeführt werden kann. Ein Modell mit drei Stufen kann das Erlernen von Fertigkeiten beschreiben: Auf der ersten, der kognitiven Stufe wird eine genaue Beschreibung des Ablaufes einer Fertigkeit in Form von deklarativen Wissen erworben. In der zweiten Stufe wird eine spezielle Prozedur für die Fertigkeitsausführung ausgebildet, indem das deklarative Wissen in eine prozedurale Form durch eine Wissenskompilation überführt wird. Schließlich geht das Gelernte in eine Stufe der Automatisierung, in der das Wissen über die zugrundliegenden Regeln vollständig in den Hintergrund tritt. Einen umfassenden Ansatz zur Darstellung des Erwerbs von Fertigkeiten liefert die ACT (Adaptive Control of Thought) -Theorie (Anderson, 1983), der ein System aus Produktionen zugrunde liegt. Die Bedingungen einer Produktion entsprechen Propositionen in einem semantischen Netzwerk, deren Aktivierung die Ausführung des Aktionsteils einer Produktionsregel herbeiführen. In Situationen, in denen ein Individuum ein Ziel hat, für dessen Erreichung sich die Wissensstruktur als unzulänglich erweist, handelt es sich um ein Problem, dessen Lösung durch Strategien auf Basis von Fertigkeiten ermöglicht wird. Die Problemforschung geht von den drei Komponenten eines unbefriedigenden Ausgangszustands, eines erwünschten Zielzustandes und einer Barriere, die die Lösung verhindert, aus. Die Strategie der Problemlösung kennzeichnet das planvolle, absichtliche Vorgehen bei der Lösungssuche, etwa die Zerlegung eines Problems in Teilprobleme. Heuristiken sind Problemlösestrategien, die häufig, aber nicht notwendig eine Lösung liefern, und werden dadurch von Algorithmen unterschieden. Der Wissenserwerb kann durch selbstreflexive Prozesse von einer Metaebene des Lerners aus gesteuert werden. Diese Metakognition wird zum einen von naiv-psychologischen Annahmen einer Person über ihr kognitives Funktionieren, zum anderen von psychischen Kontrollprozessen bestimmt. Metakognitives Wissen bezeichnet das Wissen über die eigene Person, eine Einschätzung des eigenen Leistungsvermögens, über Aufgaben, die Menge und Schwierigkeit des Stoffes und über kognitive Strategien, das Einprägen und Verfestigen von Lernmaterial. Gagné hat 1973 eine hierarchische Anordnung von acht Lerntypen, bei der die höheren die niedrigeren Stufen voraussetzen, vorgeschlagen (vgl. [WEI] S. 118-119). 1. Signallernen: eine Reaktion auf ein Signal wird gelernt. 2. Reiz-Reaktions-Lernen: eine bestimmte Reaktion auf einen unterschiedenen Reiz wird gelernt. 3. Kettenbildung: gelernt wird eine Kette von Reiz-Reaktions-Abläufen. 4. Sprachliche Assoziation: die Kettenbildung auf sprachlicher Ebene. 5. Diskriminationslernen: Reiz-Reaktions-Lernen mit Interferenzen. 6. Begriffslernen: die Reaktion auf eine Klasse von Begriffen wird gelernt. 7. Regellernen: gelernt wird das Verhalten nach der logischen Implikation zu steuern. 8. Problemlösen: die Kombination von Regeln zu Regeln höherer Ordnung.


Soziologie

Inhalt

Uwe Poborski: KategoSphär