Soziologie


Der Gegenstandsbereich der Soziologie umfaßt, allgemein betrachtet, das gesellschaftliche Verhalten und Handeln des Menschen. Desweiteren wird sie als Wissenschaft von sozialen Gruppen und Institutionen, der Gesellschaftsstruktur und deren Wandel, und der Ideen über die Gesellschaft aufgefaßt, der als Funktionen, die systematische Information über die Gesellschaft, die Stabilisierung im Sinne einer Analyse des Bestehenden und die Kritik, als Korrektiv zur stabilisierenden Funktion, eigen sind. Die Soziologie wird zusammen mit Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und, in einem weiteren Sinn mit Pädagogik und Geschichtswissenschaft, den Sozialwissenschaften zugeordnet. Dabei wird der Mensch als sozio-kulturelle Persönlichkeit, als nicht instinktgesichertes und daher offenes Wesen im Unterschied zum Tier betrachtet, das einerseits Glied einer Gesellschaft, andererseits Träger einer Kultur ist. Aufgrund seiner physisch-psychischen Konstitution, zum Beispiel der Intelligenz, ist er in der Lage, seine Umwelt zu begreifen und bewußt zu verändern, Kultur zu schaffen. Da der Mensch eben nicht instinktgesichert ist, was A. Gehlen als Instinktreduktion bezeichnet, bedarf er des Zusammenlebens in einem Beziehungssystem, in dem sein Handeln in bestimmten Umfang voraussehbar wird. Dieses soziale System, die Gesellschaft, ist existenzielle Voraussetzung für das Überleben des Menschen und damit ein notwendiges Gefüge des dauerhaften Zusammenwirkens zur individuellen oder gemeinsamen Erreichung von Zielen oder Zwecken und der Befriedigung von Bedürfnissen. Das gesellschaftliche Zusammenleben und dessen Zusammenhalt und Überdauern kommt erst durch eine gemeinsame Orientierung an Werten, Normen und Institutionen zustande, die die Erfüllung der sozialen Grundfunktionen Erarbeitung der Mittel der Bedürfnisbefriedigung, Reproduktion der Gesellschaft, Aufrechterhaltung der Sicherheit und Angebot von Weltanschauungen (AGIL-Schema, T. Parsons) gewährleisten können. Unter Vernachlässigung des Individuums stehen bei der Analyse sozialer Systeme nach der strukturell-funktionalen Theorie von T. Parsons Rollenträger im Vordergrund.

Die soziale Rolle hat sich als Instrument bewährt, die sozialen Verhaltenserwartungen auf den einzelnen zu projizieren. Sie wird in Zusammenhang mit der sozialen Position, der Stellung, die durch soziale Beziehungen innerhalb eines gesellschaftlichen Lebensraums eingenommen wird, erklärt, wobei Position für den statisch-strukturellen und Rolle für den dynamisch-prozeßhaften Charakter steht. Danach orientieren sich Handlungen und Normen an den wandelbaren Zielen der Gesellschaft und als Ideal gilt ein Gleichgewichtszustand, der sowohl den Tendenzen der Veränderung, als auch der Strukturerhaltung gerecht wird. Im Gegensatz zu dieser und anderer Sichtweisen, wie Konflikt- und Gleichgewichts-Theorien, die eine naturwissenschaftliche Ausrichtung betonen, stehen geisteswissenschaftliche Positionen, die die Gesellschaft als Ganzes, sich über seine Elemente vermittelnd, ansieht. Im Rahmen einer kritisch-theoretischen Analyse des gesellschaftlichen Handelns und der gesellschaftlichen Evolution plädieren die Vertreter der "Frankfurter Schule" und deren Nachfolger für einen Dialog zum Gelingen selbstreflexiver Aufklärung, für eine allgemeine Emanzipation und einen Konsens über die Zielorientierung. Den Lernprozeß, wie der einzelne Mensch zu einem sozialen Wesen wird und die Fähigkeit erlangt soziale Funktionen zu übernehmen, stellt die Sozialisation dar. Sozialisation teilt sich in eine primäre und eine sekundäre Phase, in denen das Entstehen der Identität des Individuums in Abhängigkeit und Auseinandersetzung mit der materiellen und sozialen Umwelt betrachtet werden. Die erste, vermeintlich prägende Phase findet überwiegend in der Familie statt und es spielen Faktoren wie Urvertrauen, Sprache, Werte und Normen, und Verhaltensschemata eine entscheidende Rolle, während in der zweiten Phase Institutionen wie Kindergarten, Schule usw. die Sozialisation übernehmen. Dabei kommt es im Laufe dieses Prozesses zu einer Internalisierung, die das von außen bestimmte Wertesystem zu einer verinnerlichten Kontrolle, dem Gewissen, entwickelt und die durch Konflikte der alten und neu erworbenen Wertmaßstäbe geprägt ist. Die Sozialisation liefert damit auch den Transfer von Kultur aus der Vergangenheit in die Zukunft, bei der das kulturelle Umfeld der Sozialisierenden, neben deren Persönlichkeit, einfließt. Kultur umfaßt neben den ererbten materiellen Dingen, wie die Produkte menschlicher Arbeit, Werkzeuge, Meßinstrumente, etc., auch die immateriellen Glaubensvorstellungen, Sitten und Gebräuche, und nicht zuletzt Wissen und Fertigkeiten.

Die Soziologie hat einen eigenen Forschungszweig entwickelt, der sich vornehmlich mit der Beziehung von Wissen und Gesellschaft auseinandersetzt, die Wissenssoziologie. Diese spezielle Soziologie erhielt ihren Namen von Max Scheler, der, wie Karl Mannheim, in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, aufbauend auf dem Satz von Karl Marx, daß das gesellschaftliche Sein, als Unterbau, das Bewußtsein, als Überbau, bestimme, eine Lehre der Aufbau- und Ablaufgesetzlichkeiten der sozialen Umwelt, die dem Kulturbereich des Wissens eigentümlich sind, entwickelt. Nach Mannheims konzeptuellen Vorstellungen ist die Wissenssoziologie ein pädagogisches und politisches Mittel, die gesellschaftlichen Kräfte zu verstehen, ein Instrument der Aufklärung und ein methodisch gesichertes Prinzip zur Neutralisation gesellschaftlicher Mystifikation, um Probleme einer Zeit zu meistern. Diese klassischen Betrachtungsweisen, die methodologische Aspekte in den Vordergrund stellen, werden seit den 70¹er Jahren um eine Analyse des Alltag- oder Allerweltwissen und des technisch-wissenschaftlichen Wissens erweitert und die Abgrenzung zwischen diesen Wissensformen wird neu bewertet. Menschliches Handeln ist wissensgeleitet, was sich z.b. an Macht durch einen Wissensvorsprung, im Gegensatz zur physischen Gewalt, zeigen läßt. Es findet in der heutigen Gesellschaft eine Verschiebung des Wissens von traditionellen hin zu wissenschaftlichen Formen statt, die eine Veränderung der Herrschaftsstrukturen und der Ökonomie mit sich bringt und die Distribution, der Zusammenhang zwischen Wissensformen und Gesellschaftsstruktur, und Reproduktion des Wissens beeinflußt.


Pädagogik

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Uwe Poborski: KategoSphär